Ziemlich lang ist der Ort Schellerhau, immerhin 4 Kilometer. Warum dies so ist, willst du wissen? Nun, einer alten Sage nach soll sich vor langer, langer Zeit folgendes zugetragen haben: Der Teufel, dieser Bösewicht, hatte irgendwo in Sachsen ein Dorf geklaut, in einen großen Sack gesteckt und wollte nun über den Erzgebirgskamm nach Böhmen fliehen. Doch einem mutigen Jungen aus dem Dorf war es noch gelungen, mit seinem Messer einen Schlitz in den Sack zu reißen. Nun purzelten die Häuser da raus, eines nach dem anderen. Daraus entstand dann später Schellerhau.
Tatsächlich allerdings ist Schellerhau aber so entstanden: Die ersten Siedler hatten vor 800 Jahren einen großen Bogen um diesen Teil des Erzgebirges gemacht, als sie überall neue Dörfer anlegten und das Land rodeten. Zu arm waren die Porphyr- und Granitböden - hier Landwirtschaft betreiben zu wollen, schien aussichtslos. So verblieb zwischen den Burgen von Bärenstein (im Osten) und Frauenstein (im Westen) ein größeres Waldgebiet.
Das änderte sich 300 Jahre später. Überall im Erzgebirge wurde eifrig nach Silber, Zinn und anderen Erzen geschürft, so auch in Altenberg und Umgebung. Nun gab es hier zwar wertvolle Bodenschätze, aber wenig zu essen. Darum ließ ein Altenberger Bergwerksbesitzer mit Namen Schelle für seine Arbeiter hier ein Dorf anlegen. Während die Bergmänner in den nahegelegenen Gruben nach Zinn und Eisen schürften, konnten deren Familien hier etwas Landwirtschaft betreiben. Bei den armen Böden und dem rauhen Klima muß das sehr mühselig gewesen sein. Auch Kinder mußten da schon mächtig mitschuften, um hier etwas ernten zu können. Unzählige Steine mußten an den Feldrand gerückt werden, das erzählen uns heute noch die großen Steinrücken.
Wo der Boden besonders arm und naß ist, lohnte sich in den letzten Jahren keine Landwirtschaft mehr. Deshalb konnten hier noch viele Pflanzenarten überleben, die früher überall vorkamen, nun aber selten geworden sind.
Genug der Vorrede, jetzt wollen wir uns das anschauen.
Die Wanderung beginnt am Botanischen Garten, wo sich auch eine Bushaltestelle befindet. Von dem unbefestigten Parkplatz gegenüber der Straße können wir schon mal den Blick über das hier noch flache Tal der Roten Weißeritz schweifen lassen. Zwischen dem Ort Schellerhau und dem Bach erstrecken sich überwiegend sehr nasse und nährstoffarme Wiesen, sogenannte Borstgrasrasen. Das ist das Naturschutzgebiet „Schellerhauer Weißeritzwiesen“. Hier führt die Grüne Liga seit zehn Jahren jeden August das Schellerhauer Naturschutzpraktikum durch. Studenten aus ganz Deutschland kommen dann hierher und helfen eine Woche lang mit, die Wiesen zu mähen. Dadurch sollen seltene Arten wie die fleischfressenden Pflanzen Sonnentau und Fettkraut erhalten werden. (Nein, nein, die fressen nicht wirklich „Fleisch“, sondern lediglich winzig kleine Insekten.) Wenn es dich interessiert, was sonst noch hier vorkommt, so schau dir doch mal die Informationstafel an, die wir am Eingang des Naturschutzgebietes aufgestellt haben. Du kannst sie schon von der Aussichtsstelle hier am Straßenrand sehen.
Von der Tafel laufe den Wanderweg rund hundert Schritte in Richtung Oberer Gasthof. Hier befindet sich eine kleine Picknickbank, von da führt ein Weg an der Steinrücke entlang hinunter zum Bach. Vorbei kommst du an einigen hübschen Bergwiesen. Nach der Überquerung der Weißeritz folgen wir dem Uferpfad bachabwärts. Der Weg ist seit dem letzten Hochwasser nicht mehr sehr bequem, aber doch interessant. Sicher fällt dir die braune Farbe des Wassers auf. Nein, da befindet sich weiter oben keine Chemiefabrik. Das ist Moorwasser! Die Rote Weißeritz entspringt im Gebiet des Georgenfelder Hochmoores, das früher mal viel, viel größer war. Moore bestehen aus Torf, und wenn dieser sich nach dem Trockenlegen eines Moores zersetzt, entstehen sogenannte Huminsäuren. Und die sehen so unappetitlich braun aus. Aber keine Bange: wenn es im Hochsommer mal so richtig warm ist, kannst du trotzdem im Bach ein erfrischendes Bad nehmen.
Nach rund 500 Metern kommt eine kleine Straße. Hier geht’s nach links über die Brücke, dann ein kleines Stück die Straße hinauf und nun nach rechts den Schellermühlenweg bergauf. Früher brachten Schellerhauer Bauern ihre karge Getreideernte auf diesem Wege zur Schellermühle unten am Bach. Auch ein kleines Sägewerk war hier, und vor allem ein sogenanntes Pochwerk zum Zerkleinern des bei Altenberg geförderten Zinnerzes. Für all das brauchte man die Kraft des Wassers (Strom und Dieselmotoren gab es ja noch nicht), dafür mußte man auch Häuser direkt am Bach errichten. Die übrige Dorfbevölkerung baute ihre Höfe lieber ein gutes Stück weg vom Gewässer – seit dem Hochwasser 2002 wissen wir nun auch wieder, warum sie so vorsichtig waren.
Der Schellermühlenweg führt uns ins kleine Ortszentrum mit Kirche, Heimatstube, Lebensmittelgeschäft und dem großen Hotel Stephanshöhe (in dem es auch ein kleines Hallenbad gibt). Du kannst dich hier entscheiden, ob du die große Runde wandern oder doch lieber abkürzen willst. Zum Abkürzen laufe am Hotel vorbei bergan, hinauf zur über 800 m hohen Stephanshöhe.
Ansonsten biegen wir an der Kirche nach rechts ab und laufen die „Mathäusweg“ genannte Straße weiter. Vor uns sehen wir, wie sich die typischen Steinrücken des Osterzgebirges den Berg hinauf ziehen. Das Gestein liefert hier nur wenige Nährstoffe, deshalb wachsen vor allem die genügsamen Ebereschen darauf. Im Erzgebirge heißen die auch „Vuchelbeerbaam“ (Vogelbeerbaum). Im September leuchten ihre roten Beeren in der Herbstsonne, im Mai können wir uns am strahlenden Weiß ihrer Blüten erfreuen.
Links vom Weg befindet sich noch ein größeres Feuchtgebiet, ähnlich dem Naturschutzgebiet Weißeritzwiesen. Hier entspringt ein Nebenflüßchen der Weißeritz, die „Salzlecke“. Seinen Namen hat das kleine Gewässer nach einer früheren Wildfütterungsstelle. Wie wir auch, benötigen die meisten Tiere Mineralsalze, und da diese bei uns nicht so reichlich in der Natur vorkommen, wurden dem Wild Salzlecksteine angeboten.
Rund 200 Meter nach Überqueren des Bächleins biegen wir nach links vom Matthäusweg ab. An einem Gehöft am Hang schlängelt sich ein Weg bergauf. Oben kommen wir durch ein kleines Wäldchen (in dem noch etwas Seidelbast wächst – eine heute seltene Strauchart, die meistens bereits im März wunderschön rosa blüht), dann überqueren wir die Straße und kommen zur Jugendherberge „Rotwasserhütte“. Das wäre übrigens ein hübsches Ziel für eure nächsten Klassenfahrt. Die Herbergsmutter hat hier auch einen kleinen Kräutergarten angelegt und kann einiges über die verschiedenen Küchenkräuter erzählen.
Wenn man an der Jugendherberge vorbei in den Wald eintritt, kommt man hier gleich wieder auf einen Wanderweg, dem wir nach links folgen. Durch die verstreuten Häuser von Neuschellerhau und über ein paar hübsche Bärwurz-Bergwiesen des Skihanges treffen wir auf den Julius-Schmidt-Steig und folgen diesem über die Stephanshöhe. Von den Hängen Neuschellerhaus kann man den Blick auf die Ortslage mit der markanten Kirche und den dahinterliegenden Kahleberg schweifen lassen. Die Kuppe der Stephanshöhe selbst ist jedoch bewaldet – der landwirtschaftliche Ertrag war hier doch zu gering, da hat man diesen Bereich später wieder aufgeforstet. Doch der nächste eindrucksvolle Aussichtspunkt ist nicht weit. Wo wir aus dem Wald kommen, machen wir einen kleinen Abstecher nach rechts. Nach hundert Metern treten wir hier aus dem Buschwerk heraus und blicken weit über die westlichen Höhenrücken des Osterzgebirges.
Eine kleine Tafel informiert über die Namen all der Kuppen und Anhöhen, die sich über die Hochebene erheben. Nur der höchste Berg des Osterzgebirges, der Wieselstein/Loucna auf tschechischer Seite, der sich halblinks am Horizont erhebt, steht nicht mit auf der Tafel.
Der Hang vor uns fällt steil hinab ins Pöbeltal und ist übersät mit Steinen. Solche natürlichen Blockhalden gibt es bei uns nicht so sehr oft. Das Gestein hier, der Schellerhauer Granit, ist sehr widerstandsfähig gegenüber der Verwitterung. Dennoch kann immer mal wieder Wasser in kleine Ritzen des Gesteins eindringen. Wenn im Winter das Wasser gefriert, dehnt sich das Eis aus. Das sind am Anfang zwar nur winzige Bruchteile eines Millimeters, doch nach hunderten oder tausenden von Jahren kann der härteste Felsen so gesprengt werden. Das passierte vor allem während der Eiszeiten. Diese Steinbrocken hier stammen deshalb sehr wahrscheinlich noch aus einer Zeit, als noch Mammuts, Wollnashörner und Säbelzahntiger durch unsere Landschaft streiften.
Wir kehren zurück auf den Hauptweg und laufen weiter Richtung Südosten. Dabei durchqueren wir immer wieder Steinrücken, auf denen aber schon seit Generationen keine Steine mehr aufgeschichtet wurden. Das sieht man deutlich an dem dichten Grasteppich, der die Steinrücken heute überzieht. Auch haben sie immer reichlich Gülle mit abbekommen, wenn die dazwischenliegenden Weiden und Wiesen gedüngt wurden. So finden wir auch auf den grünen Flächen hier kaum noch 10 bis 15 Pflanzenarten, im Gegensatz zu den bis zu 50 Arten bunter Bergwiesen. Und wenn im Sommer die großen Traktoren kommen und innerhalb weniger Stunden alle Wiesen hier mit einem mal mähen, dann haben auch Schmetterlinge, Heuschrecken und andere Insekten kaum eine Chance. Umso wichtiger ist es, dass wenigstens die geschützten Berg- und Feuchtwiesen erhalten werden. Und dass es naturnahe Gärten gibt, in denen unsere kleinen Freunde sich wohlfühlen können.
Damit kehren wir auf dem Julius-Schmidt-Steig zurück zum Botanischen Garten Schellerhau. Die große Wanderung ist ungefähr 7 km lang, die Strecke mit Abkürzung knapp 5 km.